Aber wie willl man in solchen Situationen ermitteln, welche Anzeigen ich als Pilot ignorieren soll.
Ich bin Laie, aber ich sehe schon, das die Menschen schon mit PKW's überfordert sind.
Absturz AF 447
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Re: Absturz AF 447
Theoretisch ist es ja einfach. Die eine Geschwindigkeit, die von den anderen beiden deutlich abweicht, ist wahrscheinlich die falsche.
Praktisch wird diese Aufgabe sehr schnell komplex, vor allem wenn der Autopilot (in bester Absicht, aber mit falschen Informationen) das Flugzeug bereits weit in die Ecke gefahren hat. Dann geraten nämlich alle anderen Anzeigen auch schnell außerhalb ihrer Normalbereiche - und ändern sich zum Teil rasant. Zur Lösung dieses lebensentscheidenden Puzzles bleiben zudem nur wenige Sekunden Zeit, d.h. die Piloten stehen unter unvorstellbarem Erfolgsdruck.
Bei aufmerksamer Beobachtung der Instrumente hätte man das Problem sicher etwas früher erkennen können, d.h. bevor das Flugzeug in den Langsamflugzustand geriet. Wir reden hier jedoch von einem Nachtflug und der Stunde der toten Augen.
Piloten sind zudem nicht verpflichtet, die Instrumente permanent untereinander zu vergleichen, was bei der gegenwärtigen Cockpit-Auslegung auch gar nicht praktikabel wäre. Diese Aufgabe könnte ein Voting-Computer (s.o.) sehr gut erfüllen. Im A330 ist diese Logik sogar vorhanden, wird aber nur für das Fly-by-Wire Sytem (FBW) angewandt.
Ob das FBW-System trotz des einen fehlerhaften Geschwindigkeitsinputs korrekt funktioniert hat oder stattdessen zur Verschlimmerung der Situation beigetragen hat, darüber wage ich nicht zu spekulieren. Das wird mit Sicherheit im Abschlußbericht ausführlich dargelegt werden.
Praktisch wird diese Aufgabe sehr schnell komplex, vor allem wenn der Autopilot (in bester Absicht, aber mit falschen Informationen) das Flugzeug bereits weit in die Ecke gefahren hat. Dann geraten nämlich alle anderen Anzeigen auch schnell außerhalb ihrer Normalbereiche - und ändern sich zum Teil rasant. Zur Lösung dieses lebensentscheidenden Puzzles bleiben zudem nur wenige Sekunden Zeit, d.h. die Piloten stehen unter unvorstellbarem Erfolgsdruck.
Bei aufmerksamer Beobachtung der Instrumente hätte man das Problem sicher etwas früher erkennen können, d.h. bevor das Flugzeug in den Langsamflugzustand geriet. Wir reden hier jedoch von einem Nachtflug und der Stunde der toten Augen.
Piloten sind zudem nicht verpflichtet, die Instrumente permanent untereinander zu vergleichen, was bei der gegenwärtigen Cockpit-Auslegung auch gar nicht praktikabel wäre. Diese Aufgabe könnte ein Voting-Computer (s.o.) sehr gut erfüllen. Im A330 ist diese Logik sogar vorhanden, wird aber nur für das Fly-by-Wire Sytem (FBW) angewandt.
Ob das FBW-System trotz des einen fehlerhaften Geschwindigkeitsinputs korrekt funktioniert hat oder stattdessen zur Verschlimmerung der Situation beigetragen hat, darüber wage ich nicht zu spekulieren. Das wird mit Sicherheit im Abschlußbericht ausführlich dargelegt werden.
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Thomas
Hier könnte ein flotter Spruch stehen.
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Re: Absturz AF 447
Wäre es nicht auch technisch machbar, das die Lage des Flugzeugs im Raum gegenueber der Erdoberfläche von einem zusätzlichem, unabhängigen System geprüft werden koennte?
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Re: Absturz AF 447
Da es drei voneinander unabhängige Fluglagesensoren für Längsneigung und Querlage gibt (IRS - Inertial Reference System) sowie einen weiteren künstlichen Horizont als Reservegerät, sind diese Informationen vorhanden.
Aber die Längsneigung (gegenüber dem Erdhorizont) allein sagt noch nichts darüber aus, ob das Flugzeug überzogen ist. Auch die Geschwindigkeit ist kein verläßliches Maß für den überzogenen Flugzustand, obgleich das den Piloten von allen Seiten immer wieder suggeriert wird. Entscheidend ist ganz allein der Anstellwinkel, d.h. heißt der Winkel zwischen der Profilsehne des Tragflügels (oder der Längsachse des Flugzeuges) und dem Flugbahnwinkel.
Die A330 verfügt über drei Anstellwinkelsensoren, deren Meßwerte in vielfältiger Weise verarbeitet werden. Eine direkte Anzeige dieses elementar wichtigen Parameters sucht man in den Cockpits von Airbus und Boeing jedoch vergebens, obwohl sie anfangs im A340-Prototypen noch vorhanden war. Ich vermute, daß wird sich bald ändern müssen.
In anderen Flugzeugen sind Anstellwinkelanzeigen vorhanden, z.B. bei Tu-134, Tu-154, Il-62, Beechjet 400A, Concorde, Space Shuttle.
Vorhin habe ich in eine nicht ganz aktuelle Ausgabe (2006) des Flight Crew Training Manuals des A330 geschaut, um nachzulesen, welche Technik für die Ausleitung aus dem überzogenen Flugzustand (Stall Recovery) empfohlen wird.
Das Handbuch empfiehlt bei Flughöhen über 20.000 ft, volle Triebwerksleistung zu setzen und den Längsneigungswinkel auf 5 Grad zu reduzieren.
Mit der beschriebenen Vorgehensweise kann man das Flugzeug definitiv nicht aus einem voll entwickelten Stall herausfliegen. Damit ist regelrecht garantiert, daß das Flugzeug im überzogenen Zustand bleibt.
Warum diese "Recovery Procedure" überhaupt nicht funktionieren kann, läßt sich an einem Beispiel demonstrieren.
Laut BEA-Bericht betrug beim Aufschlag der Flugbahnwinkel -45 Grad* und der Längsneigungswinkel +16 Grad.
Daraus resultiert ein Anstellwinkel von 61 Grad.
Um diesen Anstellwinkel unter den kritischen Wert von ca. 15 Grad zu bringen, müsste man die Längsneigung um 46 Grad auf -30 Grad reduzieren.
Nimmt man nur +5 Grad Längsneigung ein, wie es das Trainingshandbuch empfiehlt, dann beträgt der Anstellwinkel immer noch 50 Grad und der Absturz setzt sich somit fort.
*) berechnet aus Geschwindigkeit über Grund von 107 Knoten und Vertikalgeschwindigkeit von -10.912 ft/min
Die Handlungsempfehlung in dem Handbuch taugt einzig und allein für das Ausleiten eines beginnenden Stalls, bei dem die Strömung noch nicht abgerissen ist. Für einen voll entwickelten Stall ist sie unbrauchbar, da der Flugbahnwinkel ignoriert wird.
Aber die Längsneigung (gegenüber dem Erdhorizont) allein sagt noch nichts darüber aus, ob das Flugzeug überzogen ist. Auch die Geschwindigkeit ist kein verläßliches Maß für den überzogenen Flugzustand, obgleich das den Piloten von allen Seiten immer wieder suggeriert wird. Entscheidend ist ganz allein der Anstellwinkel, d.h. heißt der Winkel zwischen der Profilsehne des Tragflügels (oder der Längsachse des Flugzeuges) und dem Flugbahnwinkel.
Die A330 verfügt über drei Anstellwinkelsensoren, deren Meßwerte in vielfältiger Weise verarbeitet werden. Eine direkte Anzeige dieses elementar wichtigen Parameters sucht man in den Cockpits von Airbus und Boeing jedoch vergebens, obwohl sie anfangs im A340-Prototypen noch vorhanden war. Ich vermute, daß wird sich bald ändern müssen.
In anderen Flugzeugen sind Anstellwinkelanzeigen vorhanden, z.B. bei Tu-134, Tu-154, Il-62, Beechjet 400A, Concorde, Space Shuttle.
Vorhin habe ich in eine nicht ganz aktuelle Ausgabe (2006) des Flight Crew Training Manuals des A330 geschaut, um nachzulesen, welche Technik für die Ausleitung aus dem überzogenen Flugzustand (Stall Recovery) empfohlen wird.
Das Handbuch empfiehlt bei Flughöhen über 20.000 ft, volle Triebwerksleistung zu setzen und den Längsneigungswinkel auf 5 Grad zu reduzieren.
Mit der beschriebenen Vorgehensweise kann man das Flugzeug definitiv nicht aus einem voll entwickelten Stall herausfliegen. Damit ist regelrecht garantiert, daß das Flugzeug im überzogenen Zustand bleibt.
Warum diese "Recovery Procedure" überhaupt nicht funktionieren kann, läßt sich an einem Beispiel demonstrieren.
Laut BEA-Bericht betrug beim Aufschlag der Flugbahnwinkel -45 Grad* und der Längsneigungswinkel +16 Grad.
Daraus resultiert ein Anstellwinkel von 61 Grad.
Um diesen Anstellwinkel unter den kritischen Wert von ca. 15 Grad zu bringen, müsste man die Längsneigung um 46 Grad auf -30 Grad reduzieren.
Nimmt man nur +5 Grad Längsneigung ein, wie es das Trainingshandbuch empfiehlt, dann beträgt der Anstellwinkel immer noch 50 Grad und der Absturz setzt sich somit fort.
*) berechnet aus Geschwindigkeit über Grund von 107 Knoten und Vertikalgeschwindigkeit von -10.912 ft/min
Die Handlungsempfehlung in dem Handbuch taugt einzig und allein für das Ausleiten eines beginnenden Stalls, bei dem die Strömung noch nicht abgerissen ist. Für einen voll entwickelten Stall ist sie unbrauchbar, da der Flugbahnwinkel ignoriert wird.
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Thomas
Hier könnte ein flotter Spruch stehen.
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Re: Absturz AF 447
Das ist nun wieder unverständlich, zumal beginnende Stalls ganz sicher während der Erprobung geflogen wurden. Aber, da war daoch was: ist nicht ein Prototyp der A330 während der Erprobung auf den Flugplatz geknallt?
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Re: Absturz AF 447
Das war kein Stall, sondern nach einem simulierten Triebwerksausfall beim Abheben wurde aufgrund einer geringfügigen Unterlassungssünde der Piloten die minimale Geschwindigkeit unterschritten, bei der man das Flugzeug mit einseitigem Maximalschub noch steuern kann (Vmca - Minimum Control Speed in Air) bzw. den asymmetrischen Schub noch durch entgegengesetzten Ruderausschlag kompensieren kann.
Mit anderen Worten, dieses A330-Testflugzeug von Airbus Industrie hat sich auf den Rücken gelegt, weil das Seitenleitwerk für diesen Flugzustand zu klein war.
Zudem wurde das Unterschreiten der Vmca aufgrund eines Mangels im Flight Envelope Protection System* nicht verhindert. Dieser Fehler ist nach dem Unfall natürlich beseitigt worden.
Ich verstehe ohnehin nicht, wie man Flugzeuge bauen kann, die eine Vmca haben, die größer als die minimale Überziehgeschwindigkeit ist. Das würde ich seitens der Aufsichtsbehörden gar nicht zulassen. Nur dann müßten die Hersteller die Seitenleitwerke wieder etwas größer bemessen, was natürlich zusätzliches Leergewicht bedeutet.
Fast alle mehrmotorigen Flugzeuge haben eine Vmca, die größer als die minimale Stall Speed ist. Das ist wie gesagt legal, aber ich finde es höchst bedenklich.
...aber das ist ein anderes Thema.
*) Ich wünschte, es gäbe eine vernünftige deutsche Übersetzung für diesen Begriff.
Mit anderen Worten, dieses A330-Testflugzeug von Airbus Industrie hat sich auf den Rücken gelegt, weil das Seitenleitwerk für diesen Flugzustand zu klein war.
Zudem wurde das Unterschreiten der Vmca aufgrund eines Mangels im Flight Envelope Protection System* nicht verhindert. Dieser Fehler ist nach dem Unfall natürlich beseitigt worden.
Ich verstehe ohnehin nicht, wie man Flugzeuge bauen kann, die eine Vmca haben, die größer als die minimale Überziehgeschwindigkeit ist. Das würde ich seitens der Aufsichtsbehörden gar nicht zulassen. Nur dann müßten die Hersteller die Seitenleitwerke wieder etwas größer bemessen, was natürlich zusätzliches Leergewicht bedeutet.
Fast alle mehrmotorigen Flugzeuge haben eine Vmca, die größer als die minimale Stall Speed ist. Das ist wie gesagt legal, aber ich finde es höchst bedenklich.
...aber das ist ein anderes Thema.
*) Ich wünschte, es gäbe eine vernünftige deutsche Übersetzung für diesen Begriff.
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Re: Absturz AF 447
Bei diesem Unfall geht es allerdings überhaupt nicht um die Automatisierung, sondern um ganz andere Fragen:
- Sind Piloten überhaupt noch adequat ausgebildet, um ein Flugzeug auch in Reiseflughöhe von Hand zu fliegen?
- Wie kam es dazu, daß die Anzeigegeräte für den Anstellwinkel aus den modernen Cockpits so sang- und klanglos verschwunden sind?
Bei der A330/A340 waren sie vorgesehen, sind in die Serienmodelle aber nicht mehr eingebaut worden. Ihre bis heute leeren Plätze auf den Paneelen des Kapitäns und des Copiloten zeugen von diesem plötzlichen Verschwinden.
- Wie lange noch will man Generationen von Piloten diesen flugphysikalischen Unfug von der angeblich existierenden Überziehgeschwindigkeit einreden?
Es ist nicht primär die Fluggeschwindigkeit, die über die Flugfähigkeit eines Flugzeuges entscheidet, sondern der Anstellwinkel. Bei welcher Geschwindigkeit der überzogene Flugzustand eintritt, läßt sich nur bei streng stationären Flugzuständen in nicht turbulenter Luft (d.h. nur unter Laborbedingungen) vorhersagen. Die unkritische Übertragung der theoretischen Überziehgeschwindigkeit in die fliegerische Ausbildung und in die Flugpraxis hat schon viele Menschenleben gekostet. Das trifft vor allem Segelflieger sowie UL- und PPL-Piloten. Das typische Unfallszenario ist hierbei das "Abschmieren" in der letzten Kurve vor der Landung (final turn).
- Wer hat diese unsägliche Verfahrensanweisung für das Ausleiten aus dem überzogenen Flugzustand zu verantworten, bei der man schon beim ersten Durchlesen erkennen kann, daß sie nicht funktioniert, sondern bis zum Totalverlust des Flugzeuges führen kann?
Bei Air France hat nicht nur die Enteisung der Staurohre versagt, sondern auch die Piloten. Sie hätten das Flugzeug retten können. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß sie einer Extremsituation ausgesetzt waren. Ihnen fehlten sämtliche äußeren Referenzen (keinerlei Horizontsicht), während ihre Instrumente scheinbar widersprüchliche und absurde Informationen anzeigten.
Mehr als die Piloten hat aber das dahinter stehende Ausbildungssystem versagt und das ist kein französisches, sondern ein weltweites Problem.
Auch müssen sich auch die Aufsichtsbehörden fragen lassen, warum das Training wirklich kritischer Flugsituationen bei der Aus- und Weiterbildung von Piloten nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Man trainiert nur das, wofür es eine offizielle Check List gibt und sei die auslösende Warnmeldung noch so belanglos. Auffallend ist zudem, daß die Trainingsinhalte fast ausschließlich auf technische Defekte am Flugzeug und besondere Wettersituationen abzielen. Das Ausbügeln eigener Flugführungsfehler (abnormale Fluglagen, überzogener Flugzustand, Navigationsfehler usw.) wird dagegen kaum trainiert. Das kommt bei uns nicht vor, heißt es sinngemäß. Manche Verantwortliche formulieren es sogar noch raffinierter und sagen unsere Piloten werden so ausgebildet, daß sie gar nicht erst in eine solche Situation kommen.
Das kling unwahrscheinlich gut, ist aber nichts weiter als fahrlässiges Gottvertrauen.
Die Praxis zeigt, Fehler (auch gravierende) kommen in den besten Cockpits dieser Welt vor. Piloten sind keine besonders fehlerarme Menschen. Das muß man einfach akzeptieren. Daher kommt es besonders darauf an, die Besatzungen in die Lage zu versetzen, ihre Fehler umgehend zu erkennen und in geeigneter Weise zu korrigieren.
Wenn ein Pilot einen Fehler begeht, diesen jedoch umgehend erkennt und effektiv korrigiert, so sollte ihm das weder peinlich sein müssen, noch als professionelle Schwäche vorgehalten werden dürfen.
- Sind Piloten überhaupt noch adequat ausgebildet, um ein Flugzeug auch in Reiseflughöhe von Hand zu fliegen?
- Wie kam es dazu, daß die Anzeigegeräte für den Anstellwinkel aus den modernen Cockpits so sang- und klanglos verschwunden sind?
Bei der A330/A340 waren sie vorgesehen, sind in die Serienmodelle aber nicht mehr eingebaut worden. Ihre bis heute leeren Plätze auf den Paneelen des Kapitäns und des Copiloten zeugen von diesem plötzlichen Verschwinden.
- Wie lange noch will man Generationen von Piloten diesen flugphysikalischen Unfug von der angeblich existierenden Überziehgeschwindigkeit einreden?
Es ist nicht primär die Fluggeschwindigkeit, die über die Flugfähigkeit eines Flugzeuges entscheidet, sondern der Anstellwinkel. Bei welcher Geschwindigkeit der überzogene Flugzustand eintritt, läßt sich nur bei streng stationären Flugzuständen in nicht turbulenter Luft (d.h. nur unter Laborbedingungen) vorhersagen. Die unkritische Übertragung der theoretischen Überziehgeschwindigkeit in die fliegerische Ausbildung und in die Flugpraxis hat schon viele Menschenleben gekostet. Das trifft vor allem Segelflieger sowie UL- und PPL-Piloten. Das typische Unfallszenario ist hierbei das "Abschmieren" in der letzten Kurve vor der Landung (final turn).
- Wer hat diese unsägliche Verfahrensanweisung für das Ausleiten aus dem überzogenen Flugzustand zu verantworten, bei der man schon beim ersten Durchlesen erkennen kann, daß sie nicht funktioniert, sondern bis zum Totalverlust des Flugzeuges führen kann?
Bei Air France hat nicht nur die Enteisung der Staurohre versagt, sondern auch die Piloten. Sie hätten das Flugzeug retten können. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß sie einer Extremsituation ausgesetzt waren. Ihnen fehlten sämtliche äußeren Referenzen (keinerlei Horizontsicht), während ihre Instrumente scheinbar widersprüchliche und absurde Informationen anzeigten.
Mehr als die Piloten hat aber das dahinter stehende Ausbildungssystem versagt und das ist kein französisches, sondern ein weltweites Problem.
Auch müssen sich auch die Aufsichtsbehörden fragen lassen, warum das Training wirklich kritischer Flugsituationen bei der Aus- und Weiterbildung von Piloten nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Man trainiert nur das, wofür es eine offizielle Check List gibt und sei die auslösende Warnmeldung noch so belanglos. Auffallend ist zudem, daß die Trainingsinhalte fast ausschließlich auf technische Defekte am Flugzeug und besondere Wettersituationen abzielen. Das Ausbügeln eigener Flugführungsfehler (abnormale Fluglagen, überzogener Flugzustand, Navigationsfehler usw.) wird dagegen kaum trainiert. Das kommt bei uns nicht vor, heißt es sinngemäß. Manche Verantwortliche formulieren es sogar noch raffinierter und sagen unsere Piloten werden so ausgebildet, daß sie gar nicht erst in eine solche Situation kommen.
Das kling unwahrscheinlich gut, ist aber nichts weiter als fahrlässiges Gottvertrauen.
Die Praxis zeigt, Fehler (auch gravierende) kommen in den besten Cockpits dieser Welt vor. Piloten sind keine besonders fehlerarme Menschen. Das muß man einfach akzeptieren. Daher kommt es besonders darauf an, die Besatzungen in die Lage zu versetzen, ihre Fehler umgehend zu erkennen und in geeigneter Weise zu korrigieren.
Wenn ein Pilot einen Fehler begeht, diesen jedoch umgehend erkennt und effektiv korrigiert, so sollte ihm das weder peinlich sein müssen, noch als professionelle Schwäche vorgehalten werden dürfen.
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Re: Absturz AF 447
"Der Spiegel" Nr. 28/9.7.12 S. 124 ff.
"... Piloten müssen wieder lernen, das Flugzeug mit der eigenen Hand steuern zu können. ... "
Nach Ausfall der Geschwindigkeitsanzeige vom Computer an der Nase rumgeführt

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