Ich habe schnell noch einmal nachgelesen. Holger Lorenz hat in seinem dritten Buch seiner "152 Trilogie" der Triebwerksflugerprobung ein ganzes Kapitel gewidmet.
Demzufolge war es Alexander Iwtschenko, der zu Gesprächen über Kooperation in Triebwerksentwicklung und -bau nach Dresden gekommen war, der die Verwendung der Tu-4 als Triebwerkserprobungsträger anstelle der Iljuschin Il-28R vorschlug. Er hatte damit das AI-20 Triebwerk mit Erfolg erprobt, das aber ein PTL-Triebwerk ist.
Nun begannen auch andere externe sowjetische Berater sowie Johannes Barz von der Prüfstelle für Luftfahrtgeräte (PfL), der DDR-Flugzeugindustrie die Tu-4 wärmstens zu empfehlen. Die Verantwortlichen um Prof. Brunolf Baade lehnten diese Vorschläge jedoch vehement ab. Sie hatten schon während ihres "Exils" in der Sowjetunion Erfahrung mit der Tu-4 als Erprobungsträger machen können und wußten, daß sie nicht sehr zuverlässig war (speziell die Motoren) und das eine relative große Bodenmanschaft für ihren Betrieb erforderlich war. Außerdem bezweifelten sie, daß dieser Flugzeugtyp in der DDR zugelassen werden könne, zumal er herstellerseitig gar nicht mehr unterstützt wurde. Zwar konnte die Tu-4 bis zu einer Flughöhe von 12 km eingesetzt werden, aber ihre Fluggeschwindigkeit von bis zu 500 km/h war nicht hoch genug, um das Pirna 014 Triebwerk in allen Betriebsbereichen zu erproben.
Zwischenzeitlich hatte die DDR-Luftfahrtindustrie auch versucht, eine Iljuschin Il-18 oder eine Antonow An-10 für den Einsatz als Tw-Erprobungsträger zu kaufen, was aber nicht gelang. Ich vermute, daß es vor allem an der zu erwartenden Lieferzeit gelegen hat, die die Triebwerkserprobung sehr verzögert hätte.
Mit den beiden für die Erprobung des Pirna 014 Triebwerkes eingesetzten Trägerflugzeugen Il-28R konnten Erprobungsflüge von ca. 90 Minuten Dauer geflogen werden. Richtige Triebwerksdauerläufe waren damit also nur eingeschränkt möglich.
Die ersten beiden Seiten dieses Kapitels hat Holger Lorenz als
Leseprobe auf seiner Website veröffentlicht.